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Probleme bei klinischen Studien durch Überregulierung

- Patientenwohl vs. Durchführbarkeit?

 

 

 

- Von A. Ronge und N. Frank -

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Wer an der Durchführung klinischer Studien beteiligt ist, sieht sich täglich mit einer Vielzahl von Regelungen und Vorschriften konfrontiert, die eingehalten werden müssen und den Studien- bzw. Forschungsprozess verlangsamen oder gar behindern.

Vor allem bei der Ausarbeitung des für jede Studie unabdingbaren Vertragswerks, der Kostenplanung und bei der Einhaltung behördlicher Anforderungen gibt es viele Unwägbarkeiten und Prozesse die enorm viel Zeit in Anspruch nehmen. Um diese Hürden innerhalb klinischer Forschungsprozesse aufdecken und benennen zu können, führte die Amerikanische Gesellschaft für klinische Krebsforschung (ASCO) zusammen mit der Vereinigung amerikanischer Krebsforschungsinstitute (AACI) eine Studie durch, in deren Verlauf zur Benennung der Probleme auch erste Lösungsansätze mit Hilfe von Workshops und Gruppendiskussionen herausgearbeitet werden sollten. Nachfolgend werden die Ergebnisse der Studie in knappen Zügen vorgestellt.

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I. Das Vertragswerk

Bei den Vorverhandlungen mit Auftragsforschungsinstituten (sog. CROs) und Sponsoren müssen zunächst die Rahmenbedingungen geklärt werden, innerhalb derer sich die Studie bewegen soll. Häufig sind diese Verhandlungen sehr zeitaufwendig und ineffizient. Vor allem bei einzelnen Punkten wie Haftungs- und Schuldfragen, entstehen Probleme beim Einigungsprozess. Oftmals muss nachverhandelt werden und zwar mit allen an der Studie Beteiligten. Diese Hemmnisse behindern nicht nur die Implementierung von Studien, sondern wirken sich auch auf den Zugang der Patienten zu Therapien aus.

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Durch die Bündelung von Ressourcen, wie Entwurfsvorlagen, Ratschlägen und Schablonen für rechtliche Rahmenbedingungen an einem zentralen Ort, könnte diesen Problemen begegnet werden. Es sollten Rahmenvereinbarungen entwickelt werden, die diejenigen Punkte abdecken, welche bei jeder Studie identisch sind und folglich nicht jedes Mal aufs Neue ausgehandelt werden müssen. Außerdem müssen Anreize geschaffen werden die bestehenden Vorlagen auch zu nutzen.

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Vor den konkreten Verhandlungen durchlaufen Forschungseinrichtungen häufig einen Prozess der Vorauswahl seitens des Sponsors. Diese Vorauswahl beinhaltet Dinge wie Standortevaluationen, Fragen der Machbarkeit und die Unterzeichnung von Geheimhaltungsvereinbarungen und muss für jede Studie neu durchgeführt werden. Die Folge kann sein, dass sich Institute diesem aufwendigen Prozess aus Mangel an Ressourcen nicht stellen wollen und Studien ablehnen. Durch das implementieren standardisierter Regelungen („best practice“) und einer Registrierungs- und Zertifizierungspraxis von geeigneten Studienzentren und Forschungseinrichtungen könnte dem entgegengewirkt werden.

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Auch Vertrags- und Budgetverhandlungen zwischen Institutionen sind immer schwierige Prozesse. Hierzu zählen Gespräche mit Dienstleistern, welche Hilfsarbeiten anbieten, die die Krebsforschung selbst nicht betreffen (z.B. Laboratorien) und sich der direkten Kontrolle durch die Prüfärzte entziehen. Dabei sind oft viele verschiedene Parteien (Forschungseinrichtung, ForscherInnen, CROs, Sponsoren etc.) beteiligt, was den Verhandlungs- und Einigungsprozess nicht unbedingt erleichtert. Erhöhung der Transparenz von Verhandlungen bei gleichzeitiger Komplexitätsreduktion der Vereinbarungen könnten den Einigungsprozess befeuern. Dabei wäre es hilfreich, wenn alle Beteiligten über vergleichbare Wissensstände verfügen.

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II. Kostenplanung

Bevor eine Studie begonnen wird, müssen die finanziellen Aspekte mittels einer Deckungsanalyse geklärt werden. Diese Analyse ist kostenintensiv, oft ineffizient und beinhaltet viele sich wiederholende Elemente. Dabei benötigen die Beteiligten Klarheit darüber, was in der finanziellen Absicherung enthalten ist, bevor eine Studie initiiert wird. Um den Prozess zu verschlanken, gilt es geeignete Software-Anwendungen zu entwickeln, die es allen Seiten ermöglichen solche Analysen durchzuführen. Außerdem sollte eine gemeinsame Sprache entwickelt und das Schulungsangebot für die Beteiligten ausgeweitet werden.

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Es herrscht Uneinigkeit darüber, ob die vermehrte Durchführung einzelner Untersuchungen zur klinischen Forschung zählt oder als Routine-Behandlung betrachtet werden muss. Daraus ergeben sich erhebliche Probleme für die spätere Abrechnung, da je nach Behandlungsdefinition andere Kostenträger auftreten. Man müsste universelle Deckungsanalysen durchführen, in welchen klare Richtlinien aufgeführt sind, was unter die Definition der „Patientenbehandlung“ und was unter „klinische Forschung“ fällt. Es sollte Vorlagen geben, die den Prozess der Kostendeckung exemplarisch darlegen und auch hier müsste eine gemeinsame Sprache gesprochen werden.

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Einige Kosten und Gebühren, welche mit klinischen Studien in Zusammenhang stehen, werden im Budget und Verträgen oftmals nicht berücksichtigt oder sind nur teilweise erstattet (Kosten, die außerhalb des Budgets pro Patienten liegen, versteckte Kosten, welche im Protokoll nicht dargelegt sind, etc.). Prinzipiell muss höhere Klarheit und Transparenz bezüglich der Kosten herrschen um unterfinanzierte Studien zu verhindern. Oft verlangen auch Forschungseinrichtungen wie Universitäten und Krankenhäuser, wo ForscherInnen Ihre Arbeit tun, zusätzliche Gebühren für die Nutzung der Infrastruktur, was eine weitere Mehrbelastung für das Studienbudget bedeutet. Wenn sich eine Einrichtung als eine forschende Einrichtung definiert, sollten solche Gebühren nicht erhoben werden.

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III. Einhaltung behördlicher Anforderungen

Klinische Studien müssen sich vielen Regulierungen und Anforderungen von Sponsoren-Seite unterwerfen, wobei diese Regelungen von ForscherInnen und Institutionen, CROs und Sponsoren nicht selten sehr strikt ausgelegt werden, um Studienteilnehmer zu schützen und späteren Risiken und Haftungsfragen vorzubeugen.

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Forschende sehen sich konfrontiert mit variierenden Ausbildungsanforderungen (z.B. Good Clinical Practice, electronic data capture system, etc.), dabei vermitteln viele dieser Trainings dieselben Inhalte. Trotzdem müssen Forscher an immer gleichen Kursen, für jede Studie erneut teilnehmen. Durch zentralisierte Datenbanken und Schulungskonzepte, die die Redundanz der Inhalte verringern und nicht nur für je eine spezifische Studie gelten, könnte dem vorgebeugt werden.

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Viele Sponsoren verstehen die behördlichen Anforderungen falsch. Sie senden alle aufgetreten AEs und SAEs ((schwerwiegendes) unerwünschtes Ereignis) an alle Forschungsbeteiligten, welche Studien mit den betreffenden Wirkstoffen durchführen, und dies völlig unabhängig von der tatsächlichen Relevanz des einzelnen Ereignisses. Die Regelungen sind in diesem Punkt jedoch eindeutig und besagen, dass nicht jedes unerwünschte Ereignis berichtet werden soll. Nur diejenigen, welche schwerwiegend und unerwartet auftreten. Eine Folge der übermäßígen Berichterstattung ist, dass Forschende überwältigt werden, von der schieren Anzahl der Reporte, die sie ohne jeglichen Kontext erhalten. Folglich quälen sie sich damit ab, herauszufinden, welche Information für ihre Patienten wirklich relevant ist und welche nicht.

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IV. Conclusio

Zusammenfassend zielen die Forderungen vor allem darauf ab, ineffizienten und kostenintensiven Prozessen durch Zentralisierung von Informationen, Ressourcen und Software-Anwendungen zu begegnen. Außerdem wird häufig gefordert eine gemeinsame Sprache, hinsichtlich juristischer Vertragsverhandlungen aber auch in Bezug auf klare Definitionen verschiedener Arten von Patientenbehandlungen zu entwickeln. Einen weiteren Kernpunkt stellen die immer wieder durchzuführende Schulungen dar, die darauf abzielen sollen, dass alle an einer Studie Beteiligten, denselben für ihre Profession wichtigen Informationsstand haben.

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Der Grundgedanke, welcher hinter den Regulierungen und verwaltungstechnischen Einschränkungen liegt, ist immer das Ziel, die Sicherheit und das Wohlergehen der an der Studie beteiligten Personen zu wahren. Alle Anforderungen, die diesem Ziel jedoch nicht dienen, sollten gestrafft werden um sicherzustellen, dass Patienten rechtzeitig Zugang zu sicheren und effektiven Behandlungen erhalten.

 

Den vollständigen Studienbericht auf Englisch als PDF finden Sie hier.

Eine ausführlichere Zusammenstellung auf Deutsch erhalten sie hier.

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